Ein Prozent
- Amrei
- 13. Feb. 2022
- 3 Min. Lesezeit
Wir haben eine Kinderarztpraxis, mit der wir bisher sehr zufrieden sind. Aufmerksame Ärztinnen und Ärzte, angenehme Räumlichkeiten, nettes Personal, die Kinder werden angesprochen und gehört, es wird sich Zeitgenommen – selbst wenn keine vorhanden ist und wir können wirklich alles ansprechen und werden zu 99 % emphatisch aufgeklärt, beruhigt oder informiert.

Nun ist eine neue Ärztin in der Praxis und die U-Untersuchungen der Kinder liefen so ganz anders als sonst.
Anstatt mit den Kindern zu kommunizieren, wurde versucht ausschließlich über sie zu kommunizieren.
Anstatt die üblichen U-Tests mit dem Kind zu machen, wurden diese bei uns nur abgefragt.
Und statt unsere Fragen emphatisch zu beantworten, wurden wir distanziert über Kinder „Aufgeklärt“.
Der Bartträger und ich haben uns zeitweise etwas irritiert angeguckt und uns gefragt, ob diese Person wirklich gerade über unsere Kinder redet bzw. wir im richtigen Raum gelandet sind. Aber das waren die Akten unserer Kinder und auch die U-Hefte waren richtig.
Im Nachhinein konnten wir diesen Termin für uns als „interessante Erfahrung für Eltern“ betrachten, fragen uns aber auch, wie das für Eltern sein muss, die Angst um die Entwicklung der Kinder haben und sich – aus welchen Gründen auch immer – der Fähigkeiten oder auch Entwicklungsmöglichkeiten nicht bewusst sind. Wie muss das für Eltern gewesen sein, die Ärzte und Ärztinnen als die ewigen Halbgötter in Weiß ansehen und sich nicht trauen auch diese Menschen im Zweifel noch genauer zu Hinterfragen oder eine Zweitmeinung einzuholen.
Denn wenn uns eine Sache am Ende klar war, dann war das die am Kind vorbeigehende Einschätzung zu den „Bereichen mit Übungsbedarf“.

Die „Probleme“ des 5-jährigen Kindes?
Motorik und kognitive Fähigkeit. Nicht stark, aber da müssten wir mal etwas nachhelfen.
Der Bartträger hat dann schon leicht amüsiert gefragt, wie wir das denn am Besten üben können:
Ist Lego bauen da hilfreich?
Ja, das ist super. Im Idealfall nicht nur nach Anleitung, sondern gerne die Fantasie einbinden.
Alles klar.
Noch Fragen?
Ne, heute nicht mehr.
Nachtrag:
Weil viele unsere Kinder nicht kennen und dieser Punkt Nachfragen erzeugt hat – ausgerechnet die Motorik und die kognitiven Fähigkeiten sind bei den Kinden eher (sehr) gut entwickelt und die Ärztin hat leider an unseren Kindern, unseren Fragen und uns Eltern vorbeigeguckt. Das Kind baut seit langer Zeit wahnsinnig coole Modelle anhand der Fantasie zusammen und Sets ab 7+ alleine zusammen. Wir haben auch keine Angst vor möglichem Förderbedarf oder „zu später“ Entwicklung irgendwelcher Bereiche. Die Kinder entwickeln sich – in ihrem Tempo – und wir unterstützen sie dabei und begleiten das. Mit einem offenen Blick für mögliche Stärken oder mögliche Schwächen.
Hier geht es aber um eine viel wichtigere Thematik:
Für uns war das nun eine Erfahrung zum Abhaken. Für Eltern, die sich da nicht so sicher/dem bewusst sind oder keinen anderen (auch mal kritischen) Austausch haben, ist das aber durchaus eine Problematik, die falsche Ängste und Sorgen schafft. Ich lerne eins immer wieder aufs Neue: Kinder entwickeln sich alle unterschiedlich und in ihrem Tempo und wirkliche Defizite fallen früher oder später bei guter Beobachtung auf. Eine Momentaufnahme wie diese kann leider vieles kaputt machen und andere – relevante – Themen bleiben unbeachtet. Wir wissen uns im Zweifel Hilfe zu holen, für das Erst-Elternpaar nach uns gilt das vielleicht nicht. Oder für Menschen, die das selbst nicht einschätzen können und genau vor derartigen Meinungen Angst haben.
Für die besteht in einer Stärke nun die Schwäche und im Zweifel unnötiger Handlungsbedarf.
Comments